Die Geburt des ersten Kindes kann sicherlich als ein Lebensereignis bezeichnet werden. Kündigt sich ein zweites bzw. ein weiteres Kind an, stimmt es wirklich, dass es „… so mitläuft“ ?
Häufig ist dies nicht der Fall. Obwohl man als Eltern nicht mehr ganz unerfahren ist, was den Umgang mit einem Baby anbelangt, verändert sich die Familienstruktur dennoch erheblich mit weiteren Kindern. Abhängig vom Altersabstand, der sich oft im Rahmen von zwei bis drei Jahren bewegt, stellen die Eltern fest, dass sich ihre familiäre Eingebundenheit verstärkt und damit die Zeit als Paar und für sich selbst weiter vermindert.

Geschwistereifersucht

Ein großes Thema nach der Geburt von Geschwisterkindern ist die Eifersucht des Erstgeborenen.
Nicht allein das Verhalten der Eltern ist hierfür der Auslöser, vielmehr gehört die Geschwistereifersucht zum normalen kindlichen Verhalten. Sie zeigt sich häufig nicht direkt nach der Geburt des Babys, sondern erst im Laufe der ersten Lebensmonate des Geschwisterkindes, und auch in den Jahren danach.

Über das Ausmaß der Eifersucht bestimmen:

  • die Geburtsreihenfolge (die Eifersucht richtet sich in der Regel auf das nächstjüngere Geschwisterkind)
  • das Alter: die Eifersucht ist am ausgeprägtesten, wenn das Kind 2,5 bis 3 Jahre alt ist. Aber auch Kinder, die älter als 5 Jahre alt sind, können noch heftige Eifersucht entwickeln. Ist der Altersabstand sehr gering, besteht in der Regel weniger Eifersucht. Generell gilt: je inniger die Geschwisterbeziehung, desto weniger neigt das ältere zur Eifersucht.
  • die Attraktivität des Brüderchens oder Schwesterchens: Wird das Baby als „Sonnenschein“ bezeichnet und erlebt, ist es hübsch, freundlich und „pflegeleicht“, kann dies für das ältere Kind ein Grund für verstärkte Eifersucht sein und den Gedanken, sein Geschwister sei sein Konkurrent um die Aufmerksamkeit der Familie, nähren. Unterschiedliche Charaktereigenschaften und die äußere Erscheinung der Geschwister können auch in den Jahren des Heranwachsens für Eifersucht sorgen, da das soziale Umfeld ggfs. dem hübscheren, umgänglicheren oder offenerem Kind mehr Aufmerksamkeit oder Zuneigung schenkt.

Die Geburt des Geschwisterkindes löst Verunsicherung beim älteren Kind aus. Es vermisst die uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Eltern, insbesondere die der Mutter. Die Eltern kümmern sich nun mit liebevoller Zuwendung um das Baby, und das ältere Kind gewinnt den Eindruck, dass die Eltern viel weniger Zeit für es haben und viel mehr Zeit für das Baby aufwenden – was ja auch oft stimmt und eine entsprechende Notwendigkeit darstellt. Der häufige und ausgedehnte Körperkontakt zwischen Mutter oder Vater und dem Baby (Stillen, Herumtragen, Wickeln, etc.) kann die kindliche Eifersucht verstärken.

Um die Aufmerksamkeit und die Zuwendung der Eltern auf sich zu ziehen, kommt es manchmal vor, dass das ältere Kind in frühere Verhaltensweisen zurückfällt und sich ebenso verhält wie ein Säugling. Beispielsweise möchte es auch bei den Eltern schlafen, aus der Babyflasche trinken, wieder im Kinderwagen geschoben werden, etc. Auch aufsässiges Verhalten ist häufig ein probates Mittel, um die elterliche Aufmerksamkeit zu bekommen.
Die elterliche Feinfühligkeit, die das Bedürfnis ihres älteren Kindes nach Nähe und Zuwendung erkennt, kann sein Gefühl bestärken, dass auch es natürlich weiterhin geliebt wird.

Umgang mit der Geschwistereifersucht

Wie können sich Eltern verhalten, wenn ihr älteres Kind eifersüchtig auf das kleine Geschwisterkind reagiert?

Zunächst gilt es, die kindliche emotionale Verunsicherung zu verstehen und zu versuchen, eine möglichst ausgeglichene Beziehung zu beiden, bzw. allen Kindern herzustellen. Dies erfordert häufig viel Energie seitens der Eltern.
Einige Vorschläge:

  • Binden Sie das ältere Kind mit in die Pflege des Babys ein, so dass es auch „Mutter“ oder „Vater“ spielen kann und Fürsorge für sein Geschwister entwickelt
  • Besucher, die das Baby sehen wollen, kann man freundlich ermutigen, zuerst das Geschwisterkind zu begrüßen und sich dann erst dem Baby zuzuwenden
  • Unternehmen Sie etwas nur mit dem älteren Kind allein, oder erledigen Sie eine gemeinsame Aufgabe, für die das Baby noch zu klein ist (ein Tier versorgen, gemeinsame Gartenarbeit, gemeinsam handwerken, ein anderes gemeinsames Projekt)
  • wird das Geschwisterkind älter und kann sich durch Krabbeln oder Laufen fortbewegen, sorgen Sie für die Möglichkeit, dass das ältere Kind auch einmal allein und geschützt spielen kann, ohne dass das jüngere Geschwister beispielsweise seine Bauwerke zerstört. Dies ist ein sehr verlässlicher Anlass für Konflikte, da die Eltern häufig allzu bereitwillig für das jüngere Kind Partei ergreifen.

Dennoch ist die Geschwistereifersucht nur ein Aspekt einer reichhaltigen emotionalen Beziehung, die sich bei warmherziger elterlicher Förderung zwischen den Geschwistern entwickelt. Im Verlauf des zweiten Lebensjahres zeigt das Kleinkind zunehmend Interesse an seinem älteren Geschwister und dessen Spiel, welches es nachzuahmen versucht. Häufig wird das ältere Kind von seinem kleinen Geschwister angehimmelt, weil es schon so „groß“ ist und schon so viele Dinge kann. Durch viel gemeinsam verbrachte Zeit stellt sich ein starkes Gefühl von Vertrautheit und Nähe ein.

Aber auch bisweilen heftiger Streit gehört zur Geschwisterbeziehung. Gehen Sie mit Konflikten unter den Geschwistern geduldig um und versuchen Sie nicht, Schiedsrichter zu sein. Herrscht innerhalb der Familie insgesamt eine liebevolle Atmosphäre und eine gesunde Streitkultur ohne verbale Verletzungen, schaffen es die Kinder meistens allein, eine Lösung zu finden. Fördern Sie eine gute Geschwisterbeziehung und tolerieren Sie auch, dass sich die Geschwister manchmal gegen die Eltern „verbünden“.

Die Mitglieder einer Familie stehen in ständiger Wechselwirkung miteinander. Daher hängt ein gutes Gelingen des Familienlebens insbesondere vom liebevollen Umgang miteinander, von einem guten, nicht-verletzenden Kommunikationsstil, von der Problemlösefähigkeit der Erwachsenen und von der elterlichen Flexibilität in der familiären Rollenverteilung und Organisation ab. Ebenso sollten Eltern bereit sein, einmal ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten ihrer Kinder zurückzustellen.
Das Annehmen von Hilfsangeboten aus dem sozialen bzw. familiären Umfeld und ein gutes soziales Netz sorgen für Entlastung.

Zusammenfassend:

Wie die Familie mit der Ankunft eines zweiten Kindes umgeht, hängt von den grundsätzlichen Ressourcen des familiären Systems ab. Im Idealfall ist die Familie eine Kraftquelle für Freude und Gesundheit. Ein starkes Gefühl der Verbundenheit untereinander, und Eltern als sich liebende Partner (Kohns) geben einen sicheren Rahmen.

Quellen:
Berk, L.E. (2005). Entwicklungspsychologie. Pearson
Largo, R. (2021) Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren. Piper