Evolutionär tief verankert ist das Suchen eines Säuglings oder eines Kleinkindes nach Schutz, Nähe und Kontakt zu einer vertrauten Bindungsperson im Falle von Verunsicherung oder Belastung. Dieses Bedürfnis wird als ebenso essenziell für das Gedeihen des Kindes angesehen wie das Bedürfnis nach Nahrung.

Eine sichere Bindung wird als bedeutender Schutzfaktor für die psychische Gesundheit eines Kindes erachtet und ist ein Kernelement seines Erlebens von Geborgenheit und emotionaler Unterstützung.

Der Begriff Bindung ist assoziiert mit der Bindungstheorie nach John Bowlby (1969), einem britischen Psychoanalytiker, über die emotionalen Beziehungen zwischen Eltern und Kind. Demnach haben Kinder die biologisch begründete Veranlagung, Bindungen zu Versorgungspersonen zu entwickeln. Die Erfahrungen, die das Kind mit der Bindungsperson macht, entscheiden über die Qualität der Bindungsbeziehung und bilden relativ stabile Muster bei der Bewältigung emotionaler Belastung. Diese inneren Beziehungsmodelle beeinflussen die spätere Bindungs-, Beziehungs- und Bewältigungsfähigkeit. Sie sind somit über die Lebensdauer ein bedeutendes psychologisches Konzept.

Der Fremde-Situation-Test (Ainsworth et al., 1978) ist ein bekanntes Verfahren zur Erhebung der Bindungsqualität von Kleinkindern zu ihren Müttern. Es werden drei Bindungsmuster unterschieden:

  • sichere Bindung (offener Gefühlsausdruck, schnelle Tröstbarkeit nach Trennung)
  • unsicher-vermeidende Bindung (Unterdrückung von Gefühlen, Vermeidung von Nähe)
  • unsicher-ambivalente Bindung (Suche nach Nähe und gleichzeitig Abwehr derselben)

Ein vierter Bindungstyp wurde 1990 von Main und Solomon definiert: die desorganisierte Bindung, gekennzeichnet durch keine durchgängige Verhaltensstrategie und widersprüchliche Verhaltensweisen.

Der Fremde-Situation-Test findet auch heute noch Anwendung; jenseits des Kleinkindalters ist die testpsychologische Untersuchung von Bindung jedoch schwierig. Das Bindungskonzept bleibt aber ein zentraler Aspekt bei der Erhebung der Beziehungsqualität eines Kindes zu seinen Eltern.